Bosnien und Herzegowina

Nach dem Anstieg von Herceg Novi bis an die bosnische Grenze war es dann gefühlt eine kurze Fahrt (bergab) nach Trebinje, der ersten Stadt in Bosnien-Herzegovina. Es war erst Mittagszeit, so haben wir uns in der öffentlichen Badi unter einen Baum gelegt, das nasse Zelt ausgebreitet und erst mal ausgiebig Siesta gemacht.

Ursprünglich war Trebinje unser Tagesziel, aber nach einer kurzen Besichtigung der doch recht hübschen Altstadt, und einem Einkauf im besten Supermarkt, den wir seit Beginn der Reise gefunden haben, sind wir dann doch noch einige Kilometer weiter gefahren.

Ab Trebinje gibt es einen ausgeschilderten Veloweg auf einem ehemaligen Bahntrasse, der Ćiro, der bis nach Mostar führt. Die Strasse ist schmal und für Autos auch offen, aber wenig befahren. So sind wir das Tal hoch, bis wir keine Lust mehr hatten und haben das Zelt an einer schönen Stelle am Strassenrand aufgebaut.

Der Nachteil war, dass es mindestens zwei Streuner hatte, in deren Territorium wir standen. Jedenfalls hat ein Hund in der Nacht sehr lange unser Zelt angeklefft. Tja, man kann nicht alles haben und irgendwann hat er sich dann wieder verzogen.

Die weitere Strecke war ähnlich gemütlich, mit einem Restaurant in einem der ehemaligen Bahnhöfe, das sogar einen Veloständer mit Steckdosen für E-Bikes hatte.

Der Wald im Tal wich einzelnen Feldern, bis wir dann über einen Sattel zu einem See kamen. Hier konnte man wählen zwischen Bahntrasse mit Schotter, dafür weniger Höhenmeter oder die Strasse mit Autos. Wir haben uns für den Asphalt entschieden. Eine gute Entscheidung, denn plötzlich überholte uns ein freundlich hupender Autofahrer, stoppte kurz vor uns und schenkte uns zwei Dosen kalte(!) Cola. In der brütenden Hitze ein willkommenes Geschenk und völlig unerwartet. So schnell er da war, war er auch wieder weg, wir konnten uns gar nicht recht bedanken.

Wir machten noch einen Abstecher zu den Kravica Wasserfällen, wo wir im kalten Wasser vor den Wasserfällen kurz badeten und dann auf einer nahen Wiese zelteten (5€ pro Velo ohne Dusche war Angela zu viel, also hat sie erfolgreich den Preis runtergehandelt). Tagsüber ein überlaufener Touristenhotspot, trotz stolzem Eintrittspreis, aber abends und früh morgens waren nur ein paar Camper da.

Die weitere Strecke folgten wir dann wieder dem Ćiro, parallel zur existierenden Zuglinie, durch ein schmales Flusstal. Wir kamen an einer kleinen katolischen Kirche vorbei, vor der 2 Touristenbusse und einige Marktstände mit Kettchen, Kreuzen und Ikonen standen und in der gerade (am Dienstag Morgen) ein Gottesdienst abgehalten wurde. Wir haben nicht herausgefunden, was an der Kirche so speziell ist.

Kurz vor Mostar haben wir dann nochmals einen Abstecher zur Quelle der Buna gemacht, wo man ein ehemaliges Derwisch-Kloster besichtigen kann. Die Quelle kommt aus einer Höhle heraus, in der auch unzählige Vögel nisten. Das Kloster war sehr einfach eingerichtet, mit nur wenigen Schlaf- und Aufenthaltsräumen. Trotz allem ein spannender Ort und wir hatten selten so viele verschiedene Kulturen bei den Touristen gesehen.

Zufälligerweise sind wir auch an der Mündung der Buna in die Neretva vorbei gefahren. Die Buna fällt hier über mehrere hundert Meter über eine Kante hinunter in die Neretva, die etwas tiefer einen Kanal in den Felsen gefressen hat.

In Mostar haben wir uns ein Apartment mit Waschmaschine gegönnt, um mal wieder alle Kleider richtig waschen zu können. Wir geniessen es jeweils auch, einen Rückzugspunkt zu haben, weg vom Trubel der Menschenmassen. Der Vermieter war ein spezieller Typ. Ehemals ein Polizist, verdeckt er jetzt sein Nummernschild am Scooter mit einer Maske, damit er nicht gebüsst werden kann. Da ist er in Mostar nicht alleine und die Polizei schaut weg. Gemäss unserem Tourguide sei die Polizei durchweg korrupt in Mostar, denn jeder kennt irgendwen bei der Polizei, der Bussen wieder rückgängig macht.

Die geführte Tour durch Mostar war schwierig zu Verdauen. Die Altstadt wurde durch Unesco Gelder wieder hergerichtet, während im Rest der Stadt die Spuren des Krieges noch allgegenwärtig sind. Weil die Menschen in Mostar während 15 Monaten im Krieg umzingelt waren, gibt es im Innenstadtbereich mehrere Friedhöfe mit Grabsteinen von 1992 und 1993. Im 1992 gab es eine kurze Belagerung durch die jugoslavische Armee, die aber mit Unterstützung der Kroaten zurückgeschlagen werden konnte. Schlimmer war es dann 1993, als die Serben und die Kroaten einen Pakt eingingen, Bosnien-Herzegovina unter sich aufzuteilen. Mostar wurde in die Mangel genommen und während drei Monaten war die Stadt komplett von der Aussenwelt abgeschnitten. Es gab keinen Strom und kein Essen, ausser den Vorräten, die man selber hatte und Tauben, es gab kein Brennholz zum Kochen ausser den Möbeln und Bäumen, es gab keine Arzneimittel. Der Beschuss war ununterbrochen, durch Scharfschützen von den nahen Hügeln und mit Splittergranaten.
Die Wunden sind nicht geheilt. Während es in Mostar vor dem Krieg viele gemischte Ehen und keine ethnisch getrennten Quartiere gab, wird der Hass heutzutage durch die politischen Parteien zwecks Stimmenfang weiter geschürt. Während auf den Friedhöfen noch alle Ethnien und Religionen gemischt vertreten sind, ist es heute nicht mehr möglich, überall zu wohnen und es gäbe sogar Jugendliche, die den Krieg nie erlebt haben, die aber den Fluss als symbolische Grenze zwischen dem katholischen und dem muslimischen Teil noch nie in ihrem Leben überquert haben. Auf einem längeren Spaziergang durch Mostar konnten wir die Trennung auch klar sehen, in gewissen Quartieren waren die Cafes und Restaurants, vermutlich wegen der EM, mit unzähligen kroatischen Flaggen geschmückt.

Etwas versteckt aber gut ausgeschildert ist die sehr gepflegte osmanische Villa der Familie Muslibegovic aus dem 18. Jahrhundert, die heutzutage als schmuckes, ruhiges Hotel dient, das aber auch als Museum angeschaut werden kann. Der gemütliche Divan ist sehr einladend um sich hinzulegen aber es ist ja ein Museum…

Nach diesen vielen Eindrücken, sind wir weiter das enge Tal hoch in Richtung Sarajevo. Unterwegs gab es noch eine ehemalige Eisenbahbrücke mit zugehörigem Museum zu besichtigen, wo sich im 2. Weltkrieg die Schlacht and der Neretva zwischen den Deutschen und sich im Rückzug befindenden Partisanen stattfand. Die Brücke wurde durch die Partisanen gesprengt, nur um dann doch über eine Hilfsbrücke an dieser Stelle anzugreifen und dann die Hilfsbrücke nochmals zu sprengen. Ziel war es, die eingekesselten Zivilisten und Verwundeten zu evakuieren.

Die von den Deutschen wieder aufgebaute Brücke wurde danach bis in die späten 60er wieder verwendet. Nachdem die neue elektrifizierte Eisenbahnlinie in Betrieb ging, wurde an der Stelle ein Film über die Schlacht gedreht und die Brücke erneut gesprengt. Im Museum wurde die Geschichte gut erklärt und es waren viele Fotos von der Evakuierung ausgestellt.

Wir quälten uns dann noch durch die Hitze (über 40°C im Schatten ist einfach zu heiss) den Stausee entlang bis Konjic, wo Angela auf ein klimatisiertes Zimmer bestand.

Am nächsten Morgen besichtigten wir in der Nähe von Konjic den alten Regierungsbunker, den sich Tito im kalten Krieg bauen liess. Denn Jugoslavien wäre fast von der Sowjetunion angegriffen worden, was gemäss der Touristenführerin von Tito mit viel Verhandlungsgeschick mit Natostaaten abgewandt werden konnte.

Den Nachmittag verbrachten wir im Café des Hotels, wo wir übernachtet hatten mit E-Mail schreiben und Fotos sortieren. Draussen war es zu heiss.

Stattdessen sind wir am Abend nur ein paar Kilometer zu einem Campingplatz am See gefahren, um dann am nächsten Morgen um 4 Uhr aufzustehen und die frühen Morgenstunden zu nutzen, den Berg zum Blidinje See zu erklimmen, der uns empfohlen worden war. Unterwegs schenkte uns eine nette Frau noch 2 Aprikosen.

Beim See gibt es auch ein kleines Feld mit alten Grabsteinen, das wir auch noch besichtigten, bevor wir die kühlende Abfahrt geniessen konnten. Wieder machten wir eine längere Siesta, diesmal im Schatten einer verlassenen Hütte. Die Landschaft wurde jetzt leicht hügelig und auf den gemähten Wiesen lagen frische Heuballen. Auf ca. 900müM war es auch etwas kühler als noch am Vortag.

In Tomislavgrad haben wir uns ein Hotel gesucht und leckere Holzofenpizza gegessen. In Tomislavgrad wurde Tomislav im Jahr 925 zum ersten König der Kroaten gekrönt, nach der Vereinigung der küstenländischen und der binnenländischen Kroaten.

Am nächsten Tag haben wir einen Umweg nach Livno gemacht, wo es gemäss einer Homepage eine hübsche Quelle ähnlich der der Buna gäbe.

Leider wurde nicht gesagt, dass alles Privatgelände ist und deshalb nichts zugänglich ist. Das Kloster war geschlossen, die auf OpenStreetMap eingezeichnete Ruine ist nur noch ein Fundament ohne Beschreibung und die osmanische Altstadt haben wir nicht gefunden. Dafür gabs Eis und Baklava bei einem netten älteren Bäcker, der früher Mal Anwalt gewesen sei. Leider konnte er kein Englisch und sein Schulfranzösisch ist noch länger her als unseres. Die Baklava und das Eis waren jedenfalls sehr lecker.

Gestärkt fuhren wir durch die Hügel in Richtung eines kleinen Stausees (der uns irgendwie an den Greifensee erinnerte), wo Christoph noch ein Bad nahm und wir mit einem älteren Ehepaar sprachen, die in Deutschland leben aber aus der Gegend stammen und die uns ein Restaurant in der Nähe empfehlen konnten.

Das hat sich als Glücksfall herausgestellt, das Essen war lecker und günstig und wir durften neben dem Restaurant campieren. Wildcampen in Grenznähe fanden wir nicht so sexy.

So gab es an unserem letzten Veloreisetag zuerst mal einen Kaffee, bevor wir die letzten Kilometer zur kroatischen Grenze fuhren. Inzwischen war es auch nicht mehr so unerträglich heiss, nur noch heiss (ca. 38°C), so dass wir nicht mehr in aller Herrgottsfrühe aufstehen mussten. Der Grenzübertritt war problemlos und so ging es stufenweise hinunter Richtung Meer. Der Zufall wollte es, dass wir an einem Drehort von Winnetou - Der Ölprinz vorbei kamen, wo ein schöner Aussichtspunkt auf den Fluss eingerichtet wurde.

Kurz vor Split gab es eine rasante Talfahrt die letzten 300 Höhenmeter runter, durch enge Felsformationen und mit viel Verkehr. Zwischen Split und Kastela, wo unser Apartment war, lag das Industriegebiet und wir fuhren an drei verschiedenen Betonwerken und dem Güterbahnhof vorbei. Beim Rückweg vom Ausflug nach Split führte uns OpenStreetMap über einen abenteuerlichen Fussweg auf der Küstenseite dieses Industriegebiets zurück (Split ist keine Velostadt, viel Verkehr und keine Velowege).

Am letzten Ferientag haben wir einen Ausflug ins nahe Trogir gemacht, einem Küstenstädtchen mit erhaltener Altstadt und Stadtmauer. Angela kannte diesen Ort von früheren Ferien mitte der 90er Jahre als fast niemand dorthin reiste. Heutzutage ist Trogir eine Touristenhochburg schon fast so wie Split. Die Strände am Weg und das Baden im Meer sind aber super schön, sauber und gut eingerichtet mit Duschen und Umkleiden.

Dann hies es Abschied nehmen vom gemütlichen Appartement an der Küste, um die Fähre nach Ancona zu erwischen, wo wir mit Freude zwei weitere Velofahrer aus Italien angetroffen haben.

Vorige Etappe: Montenegro Teil 2

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