Nachdem es die erste Zeit in Montenegro mehrheitlich geregnet hat, und uns immer wieder zur Improvisation und zum Umplanen gezwungen hat, beginnt nun der Schönwetterteil.
Unerwarteterweise haben wir auf dem kleinen Campingplatz in Mojkovac einen äusserst gesprächigen Besitzer angetroffen, der mittels Google Übersetzer mit uns gesprochen hat. Im Google Übersetzer gibt es leider kein Montenegrinisch, weshalb wir auf dem Telefon nicht wussten, welche Sprache wir einstellen sollen. Darum war die Unterhaltung eher einseitig, aber unterhaltsam war sie allemal.
Wir haben auch ein australisch-malayisches Pärchen angetroffen, die seit dreieinhalb Jahren mit dem Motorrad auf Weltreise sind. Sie müssen aber leider Europa schon wieder verlassen, weil man im Schengenraum ein Visum für höchstens 90 Tage bekommt und nachher 180 Tage warten müsse, bevor man wieder in den Schengenraum rein kann. Wenn man bedenkt, wie gross der Schengenraum heutzutage ist, ist das nicht viel Zeit, um Europa zu bereisen. Wir haben später auch noch ein englisches Paar getroffen, das das gleiche Dilemma hat und deshalb in Montenegro und Bosnien unterwegs ist, weil diese (noch) nicht zum Schengenraum gehören.
Wir wurden auch mehrfach gewarnt, dass die Strasse die Taraschlucht runter gesperrt sei. Wir haben es nach mehrfachem Nachfragen bei den Locals trotzdem gewagt, denn der Umweg wäre lang gewesen. Hat sich dann herausgestellt, dass es eine kleine aber enge Baustelle gibt und die Strasse für die Touristen gesperrt ist, damit in Ruhe gebaut werden kann. Mit den Fahrrädern war es dann aber kein Problem, vor allem auch, weil wir zur Mittagszeit durchgefahren sind.
Unser Tagesziel war die Tarabrücke, ein Touristenort mit Zip-Line, Riverrafting und Campingplätzen. Wir haben uns eine rasante Fahrt mit der Zipline gegönnt und am nächsten Morgen eine kurze Raftingtour gemacht, um die imposante Brücke und die Schlucht vom Wasser aus geniessen zu können. Die Brücke ist 150m hoch und war 1940 fertiggestellt worden. Die Brücke wurde von einem serbischen Ingenieur namens Mijat S. Trojanović entworfen, das Gerüst für den Bau hat aber der Bündner Zimmermann und Bauingenieur Richard Coray entworfen und gebaut, der unter anderem beim Langwieser und Sitter Viadukt beteiligt gewesen war.
Nach dem Rafting erklommen wir mit den Rädern noch 700 Höhenmeter hoch auf die Hochebene von Žabljak, dem Tor zum Durmitorgebirge. Žabljak ist ein weiterer Wintersportort, der aber schon stark auf Sommertourismus umgestellt hat, mit gut gepflegten Wanderwegen auf die nahen 2000er hoch.
Beim Einkaufen haben wir ein älteres Veloreise Ehepaar getroffen, mit denen wir in der Kälte Tipps für zukünftige Veloreisen ausgetauscht haben. Auf dem Campingplatz, nach einer langen, heissen Dusche, haben wir auch noch lange mit einem spanischen Velofahrer Tipps ausgetauscht, denn er fährt in die Richtung, wo wir hergekommen sind.
Für den ersten Tag im Durmitor haben wir eine Wanderung aus dem Wanderführer etwas abgewandelt, so dass wir an drei Bergseen vorbeikamen und schliesslich vom Crvena Greda aus eine tolle Weitsicht bis in die albanischen Berge geniessen konnten. Der Weg dahin hatte es aber in sich, erst angenehm durch Wälder, dann immer steiler den Berg hinauf mit steilen Hängen, die zu queren waren und kleinen Kletterstellen durch felsiges Gebiet. Die Aussicht und die wilde Natur um uns herum belohnte uns für jeden Tropfen Schweiss.
Anschliessend hiess es die Räder packen, denn wir wollten noch den berühmten Durmitorring fahren, oder zumindest einen Grossteil davon. Die Durmitorrunde ist eine Strasse, die um den Nationalpark herum führt, mit Aussicht in die Taraschlucht hinunter und zu den hohen Bergen des Durmitorgebirges. Es ist eine einspurige Strasse, mal durch Wald, mal durch eine tiefe Schlucht, mal über grasbewachsene Hochebenen. Total ca. 80km und 2000 Hm.
Für die Mittagspause gingen wir noch 20 min zu Fuss zu einem Aussichtspunkt. Die mühen haben sich gelohnt, mit einer tollen Aussicht auf die Schlucht und inmitten von Blumenwiesen, die von Insekten nur so gebrummt hat.
Kurz danach hiess es dann die Susica Schlucht zu durchqueren. Auf der Abfahrt hielten wir bei einem Parkplatz, um Fotos zu machen und trafen ein Paar aus Litauen, die gerade Kaffee kochten. Aus einer kurzen Bemerkung wurde eine tolle Begegnung zu Kaffee und Burek. Wie die Litauer bereits wussten und wir kurz darauf zu spüren bekamen, war der Kaffee auch nötig, denn die Strasse auf der anderen Seite der Schlucht war sehr steil.
Die nächsten zwei Nächte verbrachten wir vor einem Restaurant in Trsa, einem Weiler mit drei Häusern und zwei Restaurants und Pferden, die frei herumlaufen, etwa in der Hälfte des Durmitorrings. Der Deal ist, dass man im Restaurant isst, dafür kann man Dusche und Campingwiese umsonst nutzen. Für uns perfekt. Und wir waren nicht die einzigen Velofahrer, die dort übernachteten. Wir verbrachten den Abend mit einem Franzosen und trafen noch einen 87-jährigen Österreicher, der mit dem E-Mountainbike auf Velotour ist. Er ist Angelas neues Idol, so alt und noch so fit im Kopf, mit der Technik und in den Beinen.
Am nächsten Morgen fuhren wir dann, ohne Gepäck, noch 26 km und 850Hm hoch zum Sedlopass, von wo aus wir eine weitere Runde in den Durmitor Nationalpark machen wollten. Es war eine schöne Wanderung durch die Berge, aber leider ohne die grandiose Aussicht. Dafür hätten wir nochmals 400 Höhenmeter steil durch Geröll klettern müssen, wofür die Energie und Zeit leider fehlte. Für einmal ein Nachteil, dass wir mit den Velos unterwegs sind. Die abwechslungsreiche Landschaft mit Hochtälern, gefalteten Bergen und Karstformationen, in denen Herden von Schafen, Pferden und Kühen frei herumliefen, genossen wir trotzdem. Auch das angekündigte Gewitter blieb glücklicherweise aus.
Angela konnte es sich auch nicht nehmen lassen, noch einen zweistündigen Austritt in die Hochebene von Trsa zu unternehmen. Ein überraschend wilder Ritt durch Wald und Wiesen auf einen nahegelegenen Hügel hoch mit spektakulärer Aussicht auf die umliegenden Gebirge von Montenegro und Bosnien-Herzegowina. Obwohl ein Anfänger mit dabei war, sind wir getrabt und zeitweise sogar galoppiert. Zum Glück war Aleksa furchtlos und konnte sich irgendwie auf dem Pferd halten.
Nun hiess es endgültig vom Durmitor Abschied nehmen. Wir fuhren in steilen Serpentinen mit Kurven durch Tunnels hindurch runter zum blau leuchtenden Stausee, nur um in Plužine festzustellen, dass es Sonntag war und wir keine Lebensmittel einkaufen konnten. So fuhren wir bis fast nach Nikšić, wo wir auf einem gemütlichen, aber noch nicht fertiggestellten Campingplatz übernachteten und in einem hervorragenden Restaurant essen gingen.
Die Fahrt nach Cetinje führte uns über eine ruhige, schmale Nebenstrasse durch Wald und über Hügel. Ideal für Velofahrer. Am Schluss konnten wir uns dann noch ein paar Höhenmeter sparen, indem wir die frisch gebaute, aber noch nicht offiziell geöffnete Hauptstrasse verwendeten. Zum Glück benutzen auch die Einheimischen die Strasse schon fleissig, so dass wir einen Autofahrer fragen konnten, ob man denn schon den ganzen Weg fahren kann.
Cetinje war einmal die Hauptstadt von Montenegro und es gibt hier viele alte Botschaftsgebäude aus dem 19. Jahrhundert in den jeweiligen Baustielen der jeweiligen Länder zu dieser Zeit. Entsprechend sind diese Häuser sehr auffällig im Balkan.
Von Cetinje aus nahmen wir dann ausnahmsweise ein Taxi hoch in den nahen Nationalpark, um einmal um den Lovćen herum zu wandern. Das Mausoleum von Petar II war uns dann mit 8€ pro Person doch zu teuer und die Aussicht leider wolkenverhangen, dafür wurden wir mit Blumenwiesen mit unzähligen Schmetterlingen und Militärpfaden aus der kaiserlich königlichen (österreichischen) Zeit belohnt. Zum Schluss der Wanderung gab es noch eine Platte mit lokalem Käse und Schinken, um die Wartezeit aufs Taxi zu verkürzen.
Die Taxifahrt war ein Abenteuer für sich und begann damit, dass wir uns nicht anschnallen sollten. Die Taxifahrerin war sehr gesprächig, nur die gemeinsame Sprache fehlte. So wurde während der kurvigen Fahrt viel auf dem Natel eingetippt, um den Google Übersetzer zu benutzen oder Fotos gezeigt. Es war ein dauerndes Wechselspiel zwischen Angstzuständen und Unterhaltsamkeit, das wir wohlbehalten überstanden und uns viel von dem erratischen Verhalten erklärte, das wir schon auf der Strasse beobachtet haben. Die Taxifahrerin führte uns auch nebenbei ihr ganzes Vokabular an Hupgeräuschen vor, von aufmunternd über freudig grüssend zu wütendem Entsetzen.
Die gleiche Strecke fuhren wir dann am nächsten Tag mit dem Velo, stärkten uns zum z'Mittag in Njeguši nochmals mit dem leckeren Schinken und genossen die 1000 Höhenmeter Abfahrt mit mehr als zwanzig Serpentinen in die Bucht von Kotor runter. Hier war das Velo definitiv von Vorteil, weil wir es an den 5 Cars und unzähligen Autos, die in einer der Kurven versuchten aneinander vorbei zu kommen (Autodemo!), einfach vorbei schieben konnten.
Auf dem Weg haben wir noch eine fünfköpfige Familie aus Frankreich getroffen, die von Lyon nach Olympia unterwegs sind (wen es interessiert: Velovefamily.com) und wurden mit einem Velo aus einem Pfeiffenputzer beschenkt. Ein schönes Souvenir!
Da wir Kotor schon von 2017 kennen, sind wir nach Tivat auf der anderen Seite der Halbinsel, wo früher eine Werft für militärische Schiffe war, und heute das vom kanadischen Investor Peter Munch konzepierte Porto Montenegro ist, mit Luxushotels, Residenzen, Läden und einem Hafen für Superyachten. Erstaunlicherweise war alles sehr gut im Schuss und fühlte sich in sich stimmig an, auch wenn es nicht ganz zu dem Montenegro passen wollte, das wir bisher gesehen hatten und wir uns etwas fehl am Platz fühlten.
Im Hafen wird auch ein jugoslavisches U-Boot ausgestellt, das in Tivat stationiert gewesen war.
Danach unternahmen wir wieder eine Wanderung in die Hügel der Halbinsel. Wir befanden uns sofort wieder im wilden Montenegro, das wir zu schätzen gelernt haben und eindeutig “off the beaten track”. Der Wanderweg war teils schlecht markiert und mit vielen (fetten) Spinnen und Schlangen bevölkert. Mit einem Stock bewaffnet wurden die Spinnweben entfernt und die Schlangen von unserem Kommen vorgewarnt. Kaum hatten wir die Kuppe erreicht, gab es leider einen Wetterumschwung, so dass wir das Angebot von zwei Deutschen, uns mit dem Auto nach Tivat mitzunehmen, dankend aber enttäuscht annahmen.
So gab es wieder eine Planänderung und wir fuhren nur um die Spitze der Halbinsel Vrmac herum zu einem gemütlichen Campingplatz im ruhigen Küstendorf Stoliv. Beim kühlenden Bad im Meer sinnierten wir darüber, dass es diese beschaulichen Orte trotz Touristenströme weiterhin gibt und dass es vermutlich ein Segen für den Erhalt des Erscheinungsbildes der Bucht ist, dass alles zum Unesco Welterbe gehört und somit äusserlich geschützt ist. So sind Bausünden, wie wir sie anderswo gesehen haben, viel unwahrscheinlicher. Ob die lokale Bevölkerung durch den Toursimus aus der Bucht verdrängt wird, wissen wir nicht.
Am nächsten Tag erklommen wir den Sveti Illija dann doch noch, wobei wir die meisten Höhenmeter mit dem Velo machten, bis wir nur noch zu Fuss weiter kamen.
Nach einem idylischen Frühstück am Meer haben wir unsere sieben Sachen gepackt und nahmen die (für Velos kostenlose!) Fähre auf die andere Seite der Bucht, wo wir in Risan ein kleines Museum zur antiken Geschichte von Risan mit einigen römischen Mosaiken besichtigten. Wir sind dann noch ein paar Kilometer weiter nach Perast gefahren, wo sich die von der venezianischen Kapitäne schöne Residenzen gebaut haben und wir uns ein kurzes Bad im Meer gönnten.
Die weitere Strecke bis nach Herceg Novi könnte schön sein, mit Blick auf Meer und Berge, wenn es nicht so viel Verkehr hätte. Wir waren jedenfalls froh, als wir endlich beim gemütlichen Campingplatz empfangen wurden. Nach einem weiteren Schwumm im Meer fuhren wir auf einem ehemaligen Eisenbahntrasse ins Zentrum, besichtigten die Altstadt und die Burg über der Meerenge, die in die Bucht von Kotor und Tivat führt und gingen lecker Fisch essen.
Ein gelungener Abschluss unserer Zeit in Montenegro.
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