Baltikum

Unsere Route

Littauen

Ein grosser Unterschied zu Polen fällt uns sofort auf, es gibt viel mehr Schilder. Für uns interessant, alle Unterkünfte werden an der Hauptstrasse ausgeschildert, was uns das Suchen doch stark erleichtert. So sind wir dann in einem guten Hotel mit leckerem Essen gelandet, für 44 Euro das Zimmer inkl. Frühstück. Angelas persönliches Highlight war das “Honigbier”, eine Art Met aber gebraut wie Bier mit etwas Hopfen, das zum Abendessen ausgeschenkt wurde.

Die erste touristische Station in Litauen war dann Trakai, eine kleine Stadt auf einer Halbinsel, umgeben von schönen Seen und mit einer wieder aufgebauten Burg. Die Burg haben wir uns nur kurz angesehen, dafür haben wir uns über ein kleines Türkenvolk, die Karäer, informiert, die im 14. Jahrhundert zusammen mit dem Fürst, der die Burg gebaut hat, nach Trakai kamen. Auffällig war, dass es keinerlei Gegenstände aus der Zeit zwischen 1930 und 1990 gab, erst nach der Unabhängigkeit Litauens wurde die Gemeinde wieder aktiv. Sie haben sich jedoch die Sprache und Religion erhalten. Ihre traditionelle Küche hat uns jedenfalls geschmeckt und war eine willkommene Abwechslung.

Von Trakai haben wir dann den Zug nach Vilnius, die Hauptstadt von Litauen, genommen, um die stark befahrenen Strassen zwischen den Städten zu umgehen.

Was für ein Wochenende in Vilnius!

Vilnius ist voller Gegensätze und hier wird bewusst, dass das Land noch im Aufbau ist. Die Altstadt, wo sich die meisten Touristen bewegen, ist in einem guten Zustand, viele Häuser sind restauriert mit vielen Restaurants und Bars. Das Gebiet darum herum zeigt aber die Schäden, die die sowjetische Okkupation angerichtet hat. Die Häuser und Strassen sind in einem schlechten Zustand, es sieht alles etwas schäbig aus aber es funktioniert alles und die Einwohner scheinen alle so weit zufrieden zu sein (Und zeigen gerne, dass sie die neuesten Modetrends kennen).

Wir sind am Freitag Nachmittag in Vilnius in der Jugendherberge angekommen und haben uns informiert was denn so läuft. Schnell wurde klar, dass wir ein voll bepacktes Wochenende erwischt haben. Es ging los am Freitag mit einem Kurzfilmfestival (am Mittag aber noch schnell ins Eisenbahnmuseum) das um 19 Uhr begann und bis ca. 2 Uhr haben wir durchgehalten (auf dem Programm standen immer noch etwa fünf Filme). Darunter waren nette Geschichten mit guten Schauspielern und auch nachdenkliche Filme wie ein persönliches Erlebnis in Israel und dem West Jordan Land oder eine lange Dokumentation über die Ukraine begonnen bei den Majdan Protesten, über das Abspaltungsreferendum in der Ostukraine bis hin zum Bürgerkrieg. Die Dokumentation hat mehrere Personen über ca. vier Jahre begleitet und zeigt wie zerrissen das Land derzeit ist. Zitat: “Alle wollen das Gleiche; Friede, Entwicklungsmöglichkeiten, Selbstbestimmung. Aber sie wollen es auf völlig unterschiedlichem Weg erreichen”.

Am Samstag Nachmittag ging es dann weiter mit dem Festival der Strassenmusikanten, was sich auch schon am Freitag bemerkbar machte. In der ganzen Altstadt waren Musiker und Bands am spielen. Es war ein sehr warmer sonniger Tag und es waren entsprechend auch viele Zuhörer unterwegs.

Am Samstag Abend ging es dann weiter mit der langen Nacht der Museen. Diese kannten wir schon aus der Schweiz und haben uns gefreut, so in ein paar Museen hineinzusehen, bei denen wir unsicher waren, ob sich der Besuch für uns lohnt. Der Andrang war riesig und die Museumsnacht ist hier genauso ein voller Erfolg wie in der Schweiz. Das Highlight für uns war der Palace of the Grand Dukes of Lithuania. In den oberen Stockwerken kann man die original Zimmer des Fürsten von Litauen besichtigen. Was uns nicht so interessiert hatte und wir darum ohne Museumsnacht nicht hingegangen wären. Im Untergeschoss aber werden die archäologischen Ausgrabungen der alten Gebäude aus dem 16. Jh. und der vorgänger Burgen aus dem 13 Jh. präsentiert. Das ganze ist sehr Aufwändig gestaltet und es gibt sehr viele erhaltene Gegenstände aus dieser Zeit. Nicht nur Münzen und Tonscherben wie sonst sondern auch Wagenräder aus dem 14 Jh., Lederhandschuhe aus dem 16. Jh. und vieles mehr. Am spannendsten daran war aber, dass sie diese archäologischen Fundstücke dazu nutzen, die Geschichte von Litauen mit vielen Begleittexten zu erzählen.

Am Sonntag Nachmittag haben wir uns dann Zeit genommen für das Museum im ehemaligen KGB Hauptquartier. Zu sehen ist auch der Gefängnisteil im Keller dieses Gebäudes. Thema ist die Unterdrückung, Verschleppung und Ermordung von ca. 600'000 Menschen durch die Nazis und die Sowjets.

Am Abend sind wir dann noch an ein gutes Konzert von Sinage mit anschliessendem DJ Set von No(Spin), beide aus Vilnius. Im Gespräch im Anschluss hat sich dann herausgestellt, dass Sinage sein Album an diesem Abend das erste mal als Live Performance präsentiert hat.

Nach so einem Wochenende brauchen auch wir einmal etwas Ruhe und sind darum (schon wieder) mit dem Zug an die Ostsee, nach Klaipeda gefahren.

Litauen und Lettland

Čau und labdien! (das ist lettisch)

Unser letzter Bericht ist ja schon seeeehr lange her, wir waren viel unterwegs und haben einiges erlebt. Die Tage sind unendlich lang (Sonnenaufgang ca. 5 Uhr, Sonnenuntergang ca. 10 Uhr, aber so richtig dunkel wird es auch in der Nacht nicht mehr), wodurch auch die Fahrzeit einfach irgendwie länger wird. Inzwischen sind wir schon in Estland, auf der Insel Hiiumaa um genau zu sein, davon berichten wir aber ein andermal.

Zuletzt haben wir berichtet, dass wir mit dem Zug nach Klaipeda in Litauen gefahren sind, und wir haben es nicht bereut. Die Stadt ist ein kleiner Touristenmagnet, da es eine kleine Altstadt mit Pflastersteinen hat (die Hölle mit dem Fahrrad und Gepäck), aber auch einen Fährhafen mit Verbindungen nach Deutschland und ist der einzige Tiefseehafen von Litauen. Das besondere sind aber die Sanddünen und die kurische Nehrung, eigentlich eine sehr grosse Wanderdüne vor der Küste, die halb zu Russland und halb zu Litauen gehört.

Um die Nehrung zu erkunden, haben wir das Gepäck auf dem Campingplatz in Kleipeda gelassen und sind auf einen Tagesausflug. Zu sehen gab es vor allem Wald, wir haben in einem kleinen Kaffee sehr gut gegessen, waren auf der Düne spaziert und sind weiter nach Nida, fast an der russischen Grenze. Es gibt einen guten Fahrradweg, abseits der Strasse, das war sehr angenehm. Aber man muss die ganze Strecke bis Nida fahren, damit man die spanenden Sachen sieht, was etwas mehr als 50 km sind. Also muss man entweder mit dem Bus zurück (was von der Laune und Platz des Busfahrers abhängt) oder das ganze in zwei Tagen machen.

Von Klaipeda sind wir dann via Palanga, das Mallorca von Lettland, ins Landesinnere weiter, zu einem beliebten Badesee im Zemaitijos Nationalpark.

Dort gibt es auch ein altes (damals natürlich streng Geheimes) Atomraketensilo der Sowjets gibt, das inzwischen zu einem sehr interessanten Museum über den Kalten Krieg umgewandelt wurde. Die Führung war sehr spannend, einerseits geschichtlich, diese Zeit haben wir ja zum Glück nur knapp mitgekriegt, aber auch die Entwicklung der Raketentechnik und das Silo selbst. Daraus wurden alle brauchbaren, beweglichen Teile wie Rohre, Kabel, Möbel, etc. von der umliegenden Bevölkerung geklaut, nach dem es von der Sowjetunion in den 70ern aufgegeben wurde.

Von hier war es nicht mehr so weit an die lettische Grenze. Hier an der Grenze sind sogar die Hauptstrassen einigermassen vereinsamt, so dass wir nicht auf kleine, meist sandige Nebenstrassen ausweichen mussten. Gross war dann der Schock, als genau an der lettischen Grenze der schöne Asphalt verschwand und durch eine Schotterpiste ersetzt wurde. Selbst die als Hauptstrasse markierte Strasse war Schotter. Die Gegend an der Südgrenze sieht sehr arm und etwas verwahrlost aus. Es hat viele verlassene Bauernhöfe und alte Plattenbauten, die so gar nicht in die bäuerliche Landschaft passen, die am Zerfallen, aber dennoch bewohnt sind.

Je näher wir zu Riga gekommen sind, desto besser und voller wurden jedoch die Strassen, so dass wir wieder den Zug genommen haben, um die letzten Kilometer in die Hauptstadt zu überwinden. In Riga durften wir wieder bei einem Warmshowers übernachten, der in einem ziemlich grünen Quartier mit vielen renovationsbedürftigen Häusern lebte. Er hat uns “sein” Riga gezeigt, den Hinterhof, wo er mit anderen Künstlern gearbeitet hat und hat Christoph an ein kleines Punkkonzert mitgenommen, wo die beiden die Nacht durchgefeiert haben. Riga hat viele verlassene oder umgenutzte Liegenschaften, wo Konzerte und Veranstaltungen im kleinen Rahmen stattfinden.

In der hübschen Altstadt haben wir dann eine der gratis Führungen in Anspruch genommen, die von der Stadt organisiert werden. Viele der Gebäude mussten nach dem zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut werden und sind gut im Schuss. Wo in den Gassen Platz ist, breiten sich die unzähligen Restaurants aus. Die Häuerschluchten zwischen den 4 - 5 stöckigen Gebäuden sind jedoch meistens eng und mit groben Pflastersteinen versehen. Vor dem Parlament wurde uns dann erklärt, dass in Riga etwa 45% russisch sprachige Letten wohnen, im ganzen Land sind es etwa 30%. Dies macht die russische Partei zur wählerstärksten Partei im Land, die aber immer in der Opposition bleiben wird, da die verschiedenen lettischen Parteien immer eine Koalition bilden. Es gibt russische Schulen bis Gymnasiumslevel und wer in Riga eine Stelle möchte, muss sowohl russisch als auch lettisch beherrschen. Trotzdem ist russisch keine Landessprache und das staatliche Fernsehen wird nur in lettisch ausgestrahlt. So schwelt ein Konflikt zwischen den Sprachgruppierungen und unser Guide hat die Lösung dieses Konflikts als eine der grössten Aufgaben der Regierung in der nahen Zukunft bezeichnet.

Nachdem wir den nicht-touristischen Süden gesehen haben (Die Eltern von unserem Warmshowers haben uns ausgelacht als er erzählt hat, wo wir über die Grenze sind), sind wir dann nach Sigulda zum Fluss Gauja, einem der schönsten Gebiete in Lettland. Das Umland ist genauso Flach wie überall in Lettland, aber die Flüsse haben etwa 50 m tiefe Täler in den Sandstein gegraben. Sigulda ist das einzige Skigebiet in Lettland und hat sogar eine Bobbahn.

Im Sommer kann man hier Kanu fahren, in den Seilpark, wandern oder mit dem Fahrrad die Wälder erkunden. Mountainbikes wären für den Trip den Fluss hoch geeigneter gewesen, aber gelohnt hat es sich trotzdem.

Am ersten Tag waren wir in einem Freilichtmuseum, wo alte Häuser und eine Burg erhalten werden und die Geschichte der Gegend ab der Erstbesiedelung erklärt hat. Hier wurde auch die Zeit vor der Christianisierung durch die Deutschen im Detail behandelt, wie die verschiedenen Stämme und ihre Sprachverwandtschaften und die Handelswege bis ins byzanthinische Reich. Dies hat eine grosse Lücke gefüllt, denn in Riga hat die “offizielle” Geschichtsschreibung erst mit der Christianisierung begonnen und dem Wandel zu einer Hansestadt unter deutscher Herrschaft.

Einen weiteren Einblick in die Zeit der Sowjetunion hatten wir am nächsten Tag, als wir in den Regierungsbunker Lettlands hinabstiegen, der im Gaujatal unter einer Ferienresidenz für die Parteiführung gebaut wurde. Die Anlage ist noch komplett funktionstüchtig, wird aber seit dem Beitritt zur EU und NATO nicht mehr als Regierungsbunker verwendet. Entsprechend sind auch noch alle Einrichtungsgegenstände vor Ort, wie in den 80ern, wie auch Evakuierungspläne für das ganze Land im Falle eines Atomkrieges. Aus der Ferienresidenz ist eine Rehaklinik geworden, die aber auch immer noch im gleichen Stil eingerichtet ist, zumindest in der Eingangshalle. Eine veritable Zeitreise in die Vergangenheit…

Von Sigulda aus sind wir dann weiter dem Eurovelo 10 entlang an die Küste. Zum ersten Mal mussten wir mit starkem Gegenwind kämpfen, was unsere Etappe etwas verkürzt hat. So sind wir in Limbazi gelandet, ein grösserer Ort, dessen Touristenkarte am Stadtrand drei Unterkünfte versprochen hat. Leider hatten alle drei geschlossen, doch der Velomech des Ortes organisierte einen Freund, der mit uns zuerst 3 km an den Stadtrand gefahren ist, um uns dort im Studentenwohnheim einer technischen Hochschule unterzubringen. Als das nicht geklappt hat sind wir, nach einigen Telefonaten, mit ihm nochmals 6 km ins benachbarte Dorf gefahren, wo wir dann in einer Ferienwohnung (für 4 Personen) im Stil einer Massivholzhütte untergekommen sind.

Ein Frühstart (Aufstehen um 4, losfahren um 5 Uhr) und der schützende Wald an der Küste hat uns am nächsten Tag, es war der 2.6., trotz starkem Wind, bis an die Grenze Estlands und noch ein wenig weiter gebracht. Nicht einmal der Hagel, der uns in der 2. Frühstückspause überrascht hat, konnte uns lange aufhalten. Die etwas verlängerte Pause im Schutze der lokalen Bibliothek hat aber dazu geführt, dass Christoph zwei Deutschbücher für die neunte und zehnte Klasse mitgenommen hat. Die Bücher von 1968 waren ein Kunstwerk an Sprachvermittlung und gleichzeitiger Propaganda.

Abschliessend ist zu Lettland zu sagen, dass es bisher das einzige Land war, das nicht wirklich für Tourenfahrer geeignet ist. Es gibt entweder stark befahrene Hauptstrassen, die die Metropolen verbinden, oder dann Sand- bis Kiesstrassen, die staubig und unangenehm sind. Die Autofahrer nehmen eher wenig Rücksicht, jedenfalls im Vergleich zu den Nachbarländern und Polen.

Estland

Terre!

Und plötzlich waren wir in Estland. Entlang der Küste gab es im ersten Moment keinen Unterschied zwischen Lettland und Estland, ausser der Sprache.

Estland haben wir vor allem entlang des Euro Velo 10 erkundet. Dieser führte uns von Lettland her kommend weiter der Küste entlang, geht dann um die beiden grossen Estnischen Inseln Saremma (zusammen mit Muhu) und Hiumaa herum und schliesslich weiter zur Hauptstadt Tallinn.

Sehr praktisch waren die Stellen, wo sie eine neue Strasse gebaut haben und die alte parallel dazu als Veloweg stehengelassen haben, da hat man mal so richtig Platz um nebeneinander her zu fahren. Aber auch sonst war das Fahren in Estland angenehmer, die Autofahrer haben mehr Rücksicht genommen und die Strassen waren in einem guten Zustand, meistens auch breiter.

Die erste richtige Destination um etwas anzusehen war Pärnu. Bekannt für seine Strände, die alten Wellnesshotels und schöne Holzhäuser. Auch bekannt ist es für das Museum für moderne Kunst, das genau am Tag nach unserem Besuch eine neue Ausstellung eröffnet hat. Es gab also für uns noch nichts zu sehen. Tja, so kanns manchmal passieren.

An diesem Abend wurden wir aber noch entschädigt durch unseren sehr spannenden Aufenthalt bei einem Warmshowers, der in einem sehr kleinen Dorf in einem alten Haus (das ehemalige Elternhaus, das er jetzt selber modernisiert) wohnt. Es steht dafür direkt an der Ostsee mit schöner Aussicht auf die Bucht von Pärnu.

Von ihm haben wir dann auch schnell gelernt, dass die Ostseebucht um Pärnu jedes Jahr zu gefriert und dass im Winter Temperaturen von -15 bis -35 °C ganz normal sind. Brr.

Das ist aber noch lange nicht alles, was wir von ihm lernen konnten, denn er ist Geschichtslehrer, Linux Benutzer und Science-Fiction Fan. Wir konnten bei ihm alle Fragen zu Estland, dem Baltikum etc. stellen und darüber diskutieren. Es war sehr spannend mit ihm, auch die Sachen die wir in den Museen der anderen Länder gesehen/gelesen haben zu vergleichen mit der Sichtweise in Estland. So ergaben sich auch verschiedene Einblicke in die Zeit in der UDSSR, die er noch aus der Kindheit kennt, und die teils massiven Änderungen danach, die z. B. auch die Arbeitsstellen seiner Eltern betrafen. Mehr eine Anekdote und eine typische Kindheitserinnerung von ihm ist, dass es in Pärnu immer Glace gab, was sonst in Estland eine Seltenheit war in den Läden. Kein Wunder, denn Pärnu war ein Ferienort für hohe Parteiangehörige und sonst wichtige Leute im Land.

Am nächsten Tag fuhren wir der Küste entlang weiter, bis zur Fähre nach Muhu. Die Gegend ist dicht bewaldet, mit kleinen Dörfern und Feldern hie und da. So haben wir vom Meer sehr wenig gesehen, sind aber fürs Mittagessen über einen Kiesweg zu einer kleinen, gemütlichen Bucht gefahren. Die Strassen waren kaum befahren, was sehr angenehm war.

Mit der Fähre sind wir nach Muhu übergesetzt, und haben mitten in der kleinen Insel auf einem leeren Campingplatz übernachtet. Es war niemand da, aber der Besitzer ist so grosszügig und lässt alles offen und heiss Wasser zum Duschen hatte es auch!

Von Muhu kommt man über einen Damm auf Saremaa, die grösste und touristischste der drei Inseln. Es war einer unserer wenigen Regentage, mit morgens fast durchgehend Nieselregen. Gegen Nachmittag wurde es aber schon wieder besser und am Abend hat sogar die Sonne wieder geschienen.

Auf dem Weg nach Kuresaare gibt es einen Meteoritenkrater der ca. 4000 Jahre alt ist. Er ist immer noch kreisrund und definitiv als Krater auszumachen. Die Einheimischen haben den Ort seit dem Einschlag als spirituellen Ort behandelt und bewahrt und das Ereignis in Geschichten von herabstürzenden Sonnen überliefert. Erst seit ca. 1930 ist aber klar, dass es ein Meteoritenkrater ist.

Nach einem kühlen und regnerischen Tag haben wir uns dann in Kurasaare eine Nacht in einem der verschiedenen Wellness Hotels “geleistet”. Da es ein Tag nach Pfingsmontag war, wo sonst nicht viel los ist, konnten wir ein Zimmer mit viel Rabatt buchen. War mal schön, den Tag im Pool und der Sauna ausklingen zu lassen.

Am nächsten Tag ging es dann um drei Viertel der Insel herum. Viel Wald, sehr ruhige Strassen mit wenig Verkehr aber man sieht leider kaum das Meer. Es würde sich sicher lohnen ein paar Tage mit Wanderungen an der Küste und auf den bei Ebbe erreichbaren Inselchen zu verbringen.

Dann ging es mit der Fähre auf die kleinere Insel Hiumaa, die wieder etwas weniger touristisch ist und entsprechend wenig Zeltplätze hat. Wir haben aber in Kärdla in einer kleinen Unterkunft günstig übernachten können und in der Fabrik, dem besten Restaurant im Ort, seeehr lecker gegessen.

Auf der Fähre zurück zum Festland haben wir Estnische Küche kennengelernt und ein traditionelles Getränk zum Frühstück: Kama Erst in Tallinn ist uns dieses Getränk als Dessert wieder begegnet und so haben wir gelernt, dass es eine Art grobes Mehl aus vier verschiedenen Getreiden ist, das Sauermilch oder Kefir zugemischt wird. Von dem Mehl haben wir jetzt einen Sack dabei, für ein leckeres Joghurtgetränk am Mittag oder am Abend, wie es gerade passt.

Auf dem Weg nach Tallinn gab es ausser einem alten Kloster mit besteigbarem Turm nicht viel zu sehen, jedoch nahm der Verkehr deutlich zu. Einige Kilometer ausserhalb von Tallinn hatte es aber einen separaten Fahrradweg, was das Fahren wieder angenehm machte.

In Tallinn gibt es leider nur vier Warmshowers und es hat leider nicht geklappt bei ihnen unterzukommen. Darum haben wir am Morgen bevor wir nach Tallinn gefahren sind versucht eine Unterkunft zu buchen. Hätten wir auch können für so 600 € für drei Nächte und so ähnlich. Es war alles voll ausgebucht, sowohl Hostels, Hotels imd auch auf Air B'n'B. Nach langer Suche und mit viel Glück haben wir dann noch ein Plätzchen gefunden für unser Zelt im Garten eines netten Hostels mit einer ziemlich gestressten Eigentümerin. Von ihr haben wir auch erfahren, warum alles Ausgebucht war: Das Rammstein Konzert.

Das Konzert war im Sängerfestgelände (eine der Sehenswürdigkeiten), das Platz für 75'000 Zuschauer bietet und die Bühne wird eingefasst von einer Tribüne die bis zu 15'000 Sängern Platz bietet. Wir haben spasseshalber Versucht herauszufinden, was denn ein Ticket für das ausverkaufte Konzert kosten würde aber es war auf der Strasse kein einziger Ticketverkäufer auszumachen. Das Konzert war mit 69 bis 99 € für Estnische Verhältnisse sehr teuer.

Apropos teuer: Estland ist das teuerste Land im Baltikum. Ein Zitat von anderen Tourenfahrern aus Berlin: “Die Preise sind wie zu Hause”. Alles (ausser Zeltplätze) wurde etwas teurer als in Lettland und in Tallinn ist dann alles nochmals ein Stück teurer als im restlichen Land.

Die Altstadt von Tallinn ist dann das eigentliche Reiseziel aller Touristen. Sie ist als UNESCO Weltkulturerbe eingestuft und ist von einer fast komplett erhaltenen Stadtmauer eingefasst. Wir haben uns einem Rundgang unseres Papierreiseführers anvertraut und die Stadt zu Fuss erkundet. Am Abend konnten wir dann Gratiskonzerte im Rahmen von 100 Jahre Finnland auf dem Friedensplatz anhören. Estland und Finnland verbindet nämlich eine lange gemeinsame Geschichte, die sich am deutlichsten in der Verwandschaft der beiden Sprachen ausdrückt. Die Fährverbindung von Tallinn nach Helsinki wird auch schon seit den 1960ern betrieben.

Die anderen Sehenswürdigkeiten sind etwas weiter draussen, so dass wir am nächsten Tag wieder ganz froh waren um unsere Velos. Das KUMU ist ein spannendes Kunstmuseum, das von den alten Klassikern Estlands bis zu ganz aktueller Kunst alles abdeckt. Eine Dauerausstellung ist der Kunst und der Kunstszene in der Sovietzeit gewidmet. Das hat sich als sehr spannende Mischung aus Hintergrundinformation und spannenden Kunstwerken entpuppt. Die drei Spezialaustellungen waren unterschiedlich spannend, brachten aber auch ihre interessanten Einblicke.

Wir haben auch dem Maritime Museum einen Besuch abgestattet. Dort sind Segelboote, U-Boote, Wasserminen, Bojen etc. und, speziell interessant, verschiedene Boote um auf zugefrorenen Seen zu segeln ausgestellt. Untergebracht ist das Museum in einer denkmalgeschützen säulenfreien Halle aus 1918, die als Hangar für Wasserflugzeuge gebaut wurde und damals Weltweit einzigartig in seiner Konstruktion war. In einer Spezialaustellungen wurde auf die Seenotrettung eingegangen wo Rettungsinseln, Helikopter etc. ausgestellt waren. Dabei wurden wir auch an das Fährunglück von 1994 der Fähre Estonia erinnert, bei dem nur gerade 110 Menschen gerettet werden konnten. Nach diesem Unglück wurden viele Massnahmen getroffen um solche Unfälle zu verhindern, dass bei einem Unglück die Überlebenschancen höher sind und die Personen auch gerettet werden können. Eines der grössten Probleme war, dass die Wellen so hoch waren, dass damalige Fähren die zu Hilfe kamen, die Personen nicht von den Rettungsbooten aufnehmen konnten und die Rettungsboote nicht für solches Wetter ausgelegt waren (Ein original Rettungsboot war ausgestellt).

Das Estnische Eisenbahnnetz ist scheinbar länger brachgelegen oder es war alles völlig veraltet, denn im Hauptbahnhof Tallinn sieht man ausschliesslich neue Zügen von der Schweizer Stadler Rail und alle Bahnstationen sind neu renoviert und in modernem Design.

Von Tallinn aus haben wir dann die Fähre nach Helsinki genommen, wobei Velos wie auch Motorräder aufs Cargo Deck dürfen, also zusammen mit all den grossen Lastwagen. Ging aber erstaunlich gefahrlos von statten, wenn auch mit pochendem Herzen bei Angela.

Die Einfahrt der Fähre in Helsinki war dann schon das erste Highlight, da dieses Riesenschiff zwischen zwei Inseln hindurch muss, wo die Fähre gerade so Platz hat. Und man geniesst einen herrlichen Blick auf die Altstadt und den Hafen von Helsinki.

Aber das ist ja dann schon Finnland und davon wollen wir euch das nächste mal berichten.

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Nächste Etappe: Finnland und Stockholm

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